GastroGrantler

In der Rolle einer historischen Persönlichkeit entdeckt man in der virtuellen Stammtisch-App alltägliche und skurrile Gerichte vergangener Zeiten

In Wirtshäusern kommen sich Menschen näher. Man trifft Freunde, man trifft Fremde, man grantelt, man turtelt, man prügelt, man liebt, man isst, man trinkt – kurz: man interagiert, man menschelt. Beschäftigt sich nun ein Projekt mit digitalisierten, und damit gewissermaßen ihrem sinnlichen Kontext entfremdeten Speisekarten, so muss es auf der Hand liegen, sie so weit wie nur möglich wieder ihrem ursprünglichen, sehr menschlichen und außerordentlich sinnlichen Umfeld zuzuführen.



Wir – das sind Henni, Flo und Alan – haben uns daher entschieden, den Umgang mit dem einzigartigen historischen Karten-Bestand der Monacensia interaktiv-sozial zu gestalten. Manchmal ernst, manchmal witzig, manchmal derb, manchmal raffiniert, manchmal platt – jedoch stets faszinierend! So vielfältig, wie er eben so ist, so ein Wirtshausbesuch.



Dabei herausgekommen ist eine virtuelle Stammtisch-App, die sich schlüssigerweise in manchem den Sozialen Medien – insbesondere etwa Tripadvisor oder Yelp – annähert. Die Anwendung wurde als "mobile-first" gestaltet und enthält Elemente einer Progressive Web App, etwa die Möglichkeit, diese auf modernen Geräten wie eine native App auszuführen, auf dem Startbildschirm abzulegen, oder – perspektivisch – die geplante Erweiterung um Push-Benachrichtigungen zu implementieren.



Die GastroGrantler-App besteht aus zwei Hauptmodulen, die ineinander verwoben sind: Durch die Bewertungsapp kann man dank der intuitiven Oberfläche Gasthäuser und Karten erkunden, bewerten und kommentieren. Künftig sollen Normdatenverknüpfungen einen weiterführenden Sucheinstieg bieten. Dank der Kartenfunktion ist es zudem möglich, nicht mehr existente Gasthäuser zu lokalisieren und sogar direkt vor Ort aufzusuchen, so dass zur mittelbar virtuellen auch eine reale, unmittelbar räumlich-erfahrbare Dimension hinzutritt.

Um loszulegen begibt man sich zunächst in die Rolle einer historischen Persönlichkeit – generiert aus den Porträts und Metadaten des Deutschen Museums. Eingedenk des sehr geringen Frauenanteils werden zudem Digitalisate und Metadaten aus dem Deutschen Spielearchiv genutzt, um jenes Gender-Missverhältnis so weit wie möglich auszubalancieren.

Das Editionsmodul, zweiter Grundpfeiler der App, profitiert von unserer sozial-integrativen Philosophie für das GastroGrantler-Konzept: Dank dieser Kraut-Soßing-Philosophie – eine der zentralen Stärken unserer App – kann die geneigte Grantl-Community gemeinsam Speisekarten entdecken und transkribieren. Die intellektuelle Erschließung bietet hierbei die Chance, soziale Interaktionen anzustoßen und zu katalysieren sowie einen ambitionierteren Qualitätsmaßstab zu setzen, der mit heutigen OCR-Technologien (etwa bei alten Handschriften) noch nicht konsistent erreichbar ist. Die Annotationen werden gemäß dem Web Annotation Model der W3C erfasst; sie sind über bestehende Annotationsserver nutzbar. GastroGrantler nutzt bereits die IIIF-Image-API. Perspektivisch sollen zusätzlich kraft der IIIF-Search-API Transkriptionen strukturell direkt mit dem entsprechenden Digitalisat verknüpft werden können, was die Speisekarten wiederum mehrdimensional durchsuch- und erfahrbar machen wird.

Um eine belastbare Datengrundlage zu schaffen, die auch wissenschaftlichen Standards genügt, wurden in teils aufwändiger Recherchearbeit zahlreiche weitere historische Quellen zu Rate gezogen und so historische Angaben verifiziert, Wirtshäuser disambiguiert, Lokale außerhalb Münchens aussortiert, historische Standorte lokalisiert bzw. georeferenziert sowie Wirtshäuser mit Normdaten (Personen/Körperschaften) aus der GND/Wikidata verknüpft. Dank der aus diesem Prozess resultierenden Daten wurden die Metadaten der Monacensia inhaltlich erheblich erweitert und aufgewertet. Sie stellen somit auch für die Forschung ein hochinteressantes Datum dar, und es wird angestrebt, sie möglichst bald – entweder über die Monacensia oder durch Ablage in einem digitalen Repositorium – nutzbar zu machen.

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Team

Henrike Horn

E-Mail-Adresse
h.horn [at] mail.com

Florian Gantner

E-Mail-Adresse
flo.gantner [at] gmx.de

Alan Riedel

Datensets / Datasets